Unsere Geschichte
Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht.
Salman Rushdie (*1947), engl. Schriftsteller
Kleinsanktnikolaus wurde nicht von Deutschen gegründet, wie die vielen Dörfer im Banat nach den zwei großen Besiedlungswellen, dem Karolinischen Schwabenzug (1723-1726) und dem Theresianischen Schwabenzug (1744-1772).
Die ersten Bewohner waren Serben bzw. Rumänen. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts kamen Deutsche, aus diversen Nachbardörfer migrierend, nach Kleinsanktnikolaus.
2012 hätten wir, der deutsche Teil der Gemeinde, das 200 jährige Jubiläum feiern können. 200 Jahre Deutsche in Kleinsanktnikolaus. Es sollte nicht sein….
Erste namentliche Erwähnung
Aus einem Dokument von 1741 geht hervor, dass das Gut - Kleinsanktnikolaus - dem Tschanader Domkapitel übergeben wurde. Näheres ist aber über das Dorf nicht bekannt.
Die Türkenherrschaft
In der Zeit der Türkenherrschaft über das Banat ist die Gemeinde zerstört worden. Nach der Rückeroberung dieses Gebietes durch den Prinzen Eugen von Savoyen, wurde durch General Claudius Florimund Mercy, dem alten Mitkämpfer des Prinzen und ersten Gouverneur des Banates eine Landkarte gefertigt, auf der das Dorf als Puszta eingetragen ist.
Habsburger Ära
Nach dem Frieden von Passarowitz, erhielten die Habsburger das Banat.
Die Kaserne
Kleinsanktnikolaus bekommt, an der habsburgischen Militärgrenze liegend, eine Kaserne, die erst nach Ende des 2. Weltkrieges, mit dem Abzug der Roten Armee aufgelöst wurde.
Die ersten Deutschen Siedler
Die ersten Deutschen waren im Jahre 1812 mit 25 Katholiken vermerkt worden. Ihre Zahl war durch Zuwanderung aus anderen schon bestehenden Gemeinden wie Orzydorf, Deutschsanktpeter, Schöndorf, Bruckenau u.a. ständig im Steigen.
Die Neuarader
Der größte Zuwandererstrom kam aus Neuarad, da wegen der kinderreichen Familien dort der Boden knapp wurde und man sich hier billigeren Boden beschaffen konnte. Im Jahre 1830 waren daher schon 166 deutsche Einwohner sesshaft.
Der ungarische Absolutismus
Der "Österreichisch-Ungarische Ausgleich" hatte eine extreme Madjarisierungswelle zur Folge. Ungarisch wird für alle Untertanen und Bevölkerungsgruppen die alleinige Sprache in den Schulen, Ämtern, Kirche und Gericht. Ortsnamen und Familiennamen werden madjarisiert.
Im Archiv der Universitätsbibliothek Wien, finden Sie eine Diplomarbeit zu diesem Thema unter dem Titel: Nationalismus als Grundlage ungarischer Politik seit 1848
Die Eisenbahnlinie Arad - Temeschwar
1881 wird die Eisenbahnlinie zwischen Arad und Temeschwar in Betrieb genommen. Wegen der strategischen Lage der Kaserne in Kleinsanktnikolaus, bekommt Neuarad einen Bahnhof. Der Bahnhof lag in unmittelbarer Nähe der Kaserne.
Die deutsche Mehrheit
Ab 1900 sind die Deutschen in Kleinsanktnikolaus die größte Volksgruppe.
I. Weltkrieg
Die Kleinsanktnikolauser dienten in der österreichischen Armee.
Vertrag von Trianon
Die Kleinsanktnikolauser werden Untertanen der rumänischen Krone.
Die Donaumonarchie, die Garantin und Beschützerin der deutschen Siedlungsgebiete im Osten, findet nach fast 250 Jahren ihr Ende.
Busverbindung Arad - Lippa
Ab 1936 führt durch Kleinsanktnikolaus die erste Busverbindung Arad - Lippa. Damals noch auf unbefestigter Landstraße. Die Asphaltierung der Landstraße begann erst 1960.
Einweihung der Kirche
St. Josef
Am 25. September 1938 wurde die neue Kirche vom Bischof Dr. Augustin Pacha geweiht.
II. Weltkrieg
Die deutschen Kleinsanktnikolauser kämpfen z.T. in der rumänischen Armee, hauptsächlich aber in der deutschen Wehrmacht.
Der Umsturz (Königlicher Staatsstreich)
Der nach dem Umsturz vom 23. August 1944 vollzogene Frontwechsel Rumäniens, hat die Deutschen in Rumänien sehr getroffen: Politische, wirtschaftliche, kirchliche und kulturelle Organisationen wurden aufgelöst und verboten.
Flucht und Deportation
Mit dem Rückzug der deutschen Armee aus dem Osten, fliehen viele Deutsche, aus Angst vor den Russen, Richtung deutsches Reichsgebiet.
Ab Januar 1945 werden alle Deutschen im Alter von 16 bis 45 Jahren zur Zwangsarbeit nach Russland verschleppt.
Nachkriegszeit und Agrarreform
Die fortschreitende Sowjetisierung, erreichte ihre ersten Opfer:
Über 90 Prozent des gesamten landwirtschaftlichen Besitzes wurde der deutschen Volksgruppe zwangsenteignet.
Durch die Verordnungen im Wahlgesetz vom 14. Juli 1946 wurden die Deutschen vom Wahlrecht ausgeschlossen.
Der Gebrauch der eigenen Muttersprache im öffentlichen Leben und als Unterrichtsprache war verboten.
Verlust der Eigenständigkeit
1950 wurde Kleinsanktnikolaus der Kreishauptstadt Arad angegliedert und bildet seitdem deren
VIII. Bezirk.
Die Diktatur
1952 wurde die Diktatur des Proletariats und des Volkssowjets ausgerufen. Alle Industriebetriebe werden enteignet.
Verstärkt durch die Deportation vieler Deutscher in die Bărăgan-Steppe (1951-1955), machen sich erste Gedanken zur Auswanderung breit.
Die kulturell-ethnische Überlebenschance der Volksgruppe wurde unter dem Assimilationsdruck der Ceauşescu-Diktatur immer geringer.
Die Rückkehrer / Die Nachkriegsbestimmungen
Die letzten Deportierten kehren aus Russland zurück.
Die Nachkriegsbestimmungen gegen die Deutschen werden aufgehoben. Der Gebrauch der Muttersprache und die Pflege des eigenen Kulturgutes ist wieder erlaubt.
Die Rückgabe
Ein Großteil der vom rumänischen Staat 1945 enteigneten Häuser werden an die ehemaligen deutschen Besitzer zurückgegeben.
Besuch des deutschen Bundeskanzlers
Bei seinem Besuch in Rumänien, hat Bundeskanzler Helmut Schmidt auch die Frage der Familienzusammenführung der Volksdeutschen geregelt.
Ergebnis: Die Auswanderungszahl stieg deutlich an. Das war aber nicht nur der Selbstlosigkeit und Menschenfreundlichkeit Rumäniens geschuldet, sondern der Kopfprämie die Deutschland pro Auswanderer zu zahlen hatte.
Bis 1980 wurden 4000,- DM / Person und ab 1981 7800,- DM / Person bezahlt.
Ab 1982 wurden diese Zahlungen mit einem "Kopfgeld Dekret" nochmals verschärft. Je nach Berufsausbildung der Auswanderer wurden bis zu 50.000,- DM / Person verlangt. Die Absage der rumänischen Staatsbürgerschaft kostete am Ende 800,- DM / Person.
Das Ende
Die meisten Deutschen verlassen Rumänien. Somit hat die deutsche Geschichte und Kultur in Kleinsanktnikolaus, nach fast 175 Jahren, ein jähes Ende gefunden.